CSU-Innenexperte Uhl: Löschen ist keine Lösung
von Jörg-Olaf Schäfers um 22:00 am Montag, 5. April 2010 | 54 Kommentare
Wer bisher glaubte, in der Bundesregierung habe sich “Löschen statt Sperren” als neue Devise im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet durchgesetzt, irrt wohlmöglich.
Eine “ergebnisoffene” Überprüfung des ausgesetzten Zugangserschwerungsgesetzes habe man nämlich lediglich “auf Drängen der FDP” vereinbart, behauptet Hans-Peter Uhl (CSU) gegenüber Welt Online. Bedeutet wohl: Eigentlich hält man die neue Vorgehensweise in der Union für Mumpitz (was einiges erklären dürfte …)
Wenn Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun in der Öffentlichkeit “Löschen” als favorisiertes Modell der Regierung darstelle, sei dies “Scheinaktionimus”, “obwohl sie genau wisse, dass dies nichts bringt” (Soviel zum Thema “ergebnisoffene Prüfung”) – und ein Bruch des Koalitionsvertrags.
Warum Löschen im Netz keine Lösung sein kann, erklärt der CSU-Innenexperte bei der Gelegenheit auch gleich:
Im Unterschied zum Buch ließen sich im Internet Seiten mit rechtswidrigem Inhalt nicht einfach entfernen. „Denn das vermeintlich Gelöschte wird vorher auf Computer heruntergeladen und taucht später an vielen neuen Stellen wieder auf. Man kann im weltweiten Netz nichts weltweit löschen“, sagte Uhl.
Ich mag da nicht einmal widersprechen. Nur eine Frage habe ich: Wie genau könnten Sperren dies verhindern?
Ganz einfach! Durch Sperren, so Uhl, würde der Staat ein “Unwerturteil” aussprechen. Beim Löschen sei dies “für den Nutzer nicht erkennbar”. Und überhaupt, der Staat dürfe nicht neutral sein, wenn Straftaten im Internet begangen werden.
Zugegeben, meine Synapsen haben ein paar Sekunden gebraucht, um die wahre Größe dieses Gedankengangs zu entschlüsseln.
Mal abgesehen davon, dass der Missbrauch von Kinder inkl. der Verbreitung entsprechenden Bildmaterials in der Bevölkerung geächtet ist: Bisher dachte ich, dass die im Strafgesetzbuch für Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften vorgesehenen Strafen bereits ein unvermissverständliches “Unwerturteil” darstellen würden. Aber nein, dafür brauchen wir Stoppschilder im Internet!
Und wer bitte verlangt, dass der Staat neutral sei soll, wenn Straftaten im Netz verübt werden? Ich wüsste da konkret niemanden. Ganz im Gegenteil.
Herrje, darum geht es doch die ganze Zeit! Es geht darum, eben nicht wegzuschauen, während der Dreck online bleibt. Es geht darum, alles zu tun, um möglichst viel von dem Mist zu löschen. Und das, wenn nötig, immer und immer wieder.
und Deutscher Kriminalbeamter wirbt für Web Patrol
Die Kriminalpolizei macht Werbung für ihr Projekt Web Patrol. Ein Browser-Plugin erstellt einen Alarmknopf, bei dessen Druck ein Screenshot an die Polizei gesandt wird.
Klaus Jansen
Klaus Jansen
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter macht Werbung für sein Notrufsystem im Internet, das Web Patrol genannt wird. Ein Browser-Plugin soll bei Druck auf einen Alarmknopf einen Screenshot der besuchten Website oder eines Chats erstellen und an eine Clearingstelle der Polizei übermitteln, die rund um die Uhr besetzt ist. "Um die Internet-Kriminalität in den Griff zu bekommen und die Sicherheit für die Nutzer zu erhöhen, schlagen wir ein Notrufsystem im Internet, eine 110 im Netz, vor", sagte Klaus Jansen, Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter der Rheinischen Post. "So könnten beispielsweise Aufrufe zu einem Amoklauf oder kinderpornografische Inhalte frühzeitig gemeldet werden", so Jansen.
Web Patrol ist ein Projekt der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention. Die Leitung hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter, beteiligt sind laut Jansen das Sicherheitsunternehmen Serco GmbH, das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme und die Deutsche Hochschule der Polizei.
Die Idee ist nicht neu: Auf der Cebit 2010 wurde der White-IT-Button vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein Browser-Addon für Firefox. Wer im Netz auf Abbildungen von sexueller Gewalt gegen Kinder stößt, kann die entsprechende Seite direkt aus dem Browser heraus anonym melden. Die Nachricht wird an die erprobte Eco-Beschwerdestelle übermittelt, wo sie geprüft wird. Ist die Beschwerde gerechtfertigt, wird das Material gelöscht. Das soll innerhalb von Stunden passieren, so die Initiatoren.
Jansen und sein Verband treten dagegen offensiv für die Durchsetzung der staatlichen Datenvorratsspeicherung ein. Jansen bezeichnete das Internet als "Universität des Terrors" und beklagte "fehlende Begrenzbarkeit der Inhalte und der Verfügbarkeit" des Internets. Mit Web Patrol sollten Nutzer neben Kinderpornografie auch radikales Gedankengut melden, heißt es auf der Projektseite.